Im heutigen Landkreis Vorpommern-Greifswald entdecken wir Sachzeugen, die die heimatliche Geschichte lebendig werden lassen. Es sind insbesondere die Relikte des ehemaligen Klosters Stolpe, ein romanischer Bau, in der Gemeinde gleichen Namens.
Die Geschichte des Klosters reicht über 850 Jahre, bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts, zurück, und es ist somit das älteste Pommerns überhaupt.
Das architektonisch wertvolle Bauwerk zieht uns nach wie vor in seinen Bann. An der Klosterruine Stolpe sind bisher zahlreiche denkmalpflegerische Sanierungsmaßnahmen sowohl zu DDR-Zeiten als auch nach der Wiedervereinigung vorgenommen worden.
Der Heimatforscher Hermann Scheel (1953, S. 5 f) gab zum Kloster Stolpe folgende Lagebeschreibung: “Nördlich vom Gutshofe, ganz versteckt … von der Dorfstraße aus erreichbar, liegt die Ruine, der letzte Rest einer ehemaligen großen Klosteranlage, ein unscheinbares Gemäuer für den Unkundigen, ein Kleinod für den Berufskundigen, Historiker und Heimatfreund. Es ist das älteste Kulturdenkmal unserer Heimat”. Wir befinden uns in dem Gebiet, das vor über 850 Jahren von dem slawischen Stammesverband der Lutizen besiedelt war und das der erste christliche Pommernherzog Wartislaw I. (um 1107-1136/48) erobern und seinem jungen Herzogtum einverleiben konnte. In jener kriegerischen Zeit, die darüber hinaus durch starke Auseinandersetzungen zwischen dem traditionellen Heidentum und christlicher Mission geprägt war, die Bischof Otto von Bamberg mit Förderung des Herzogs in den Jahren 1124/25 und 1128 in Westpommern einleitete, verstarb Wartislaw I. in der Folgezeit unerwartet. ” Wahrscheinlich 1147/48 war Herzog Wartislaw I. von Pommern, der Förderer und Kooperator Bischof Ottos von Bamberg auf seinen beiden Missionsreisen, am Peeneübergang bei Stolpe von Unbekannten und aus unaufgeklärten Gründen ermordet worden” (J. Petersohn 1995, S. 88 f).
Die Umstände seines mysteriösen Todes, das Datum und auch seine genaue Grabstelle sind bis heute nicht bekannt, nur so viel, dass er im Raum Stolpe begraben wurde. Seine Person ist bis heute von einem geheimnisvollen Nimbus umrankt. Obwohl er zwei Söhne zeugte, die später selbst Herzöge von Pommern wurden, kennen wir seine Gemahlin nicht. Die ihm von der älteren pommerschen Forschung als Gattin zugewiesene Herzogstochter Heila von Sachsen und Bayern oder die Prinzessin Ida von Dänemark konnten urkundlich bis heute nicht nachgewiesen werden. Dem Volksmund nach soll der Herzog bei einer Jagd im Grüttower Grund nahe Stolpe von einem heidnischen Priester, Edelmann, Leibdiener oder Peenefischer beim Schlaf unter einem Baum erschlagen worden sein.
Wie dem auch sei, die Tat versinnbildlicht, dass das Christentum im Peenegebiet nach der Missionstätigkeit Otto von Bambergs noch keineswegs gesichert war. “Die Ermordung Wartislaws verdeutlicht jedoch einen unter der Oberfläche schwelenden Widerstand der slawischen Stämme im Peenegebiet gegen die mit der pommerschen Eroberung verbundenen Christianisierung” (Festschrift 2002, S. 29). An den Märtyrertod des Herzogs erinnern heute ein “Sühnestein” von etwa 1150 im Grüttower Grund, an der B 110 von Anklam nach Jarmen, der aber auch als Grenzstein zwischen herzoglichem und klösterlichem Besitz angesehen wird; der Name des Stolper Gotteshauses, die “Wartislawkirche” von 1893, ein Relief über dem Kirchportal und eine Gedenktafel im Vorraum der Kirche aus dem gleichen Jahr.
Nach dem gewaltsamen Tode des ersten christlichen Pommernherzogs Wartislaw I, der nahe Stolpe, slawisch “Ztulp” (= hoher Ort) genannt, entweder 1136 oder 1147/48 ermordet wurde, übernahm sein Bruder Ratibor I. (um 1124-1155) die herzoglichen Regierungsgeschäfte und die Erziehung seiner beiden unmündigen Neffen, der späteren Pommernherzöge Bogislaw I. von Stettin (1156-1187) und Kasimir I. von Demmin (1156-1180). Er ist übrigens jener Herzog, den die Nordländer “König Rettibur” nannten, der als Rache für nordische Einfälle in Pommern die skandinavische Metropole Konnungahella an der Götaelv, das heutige schwedische Kungälv, im Jahre 1135 einnahm und brandschatzte. (Der Verfasser berichtete darüber gesondert in Stier und Greif, Heft 11/2001).
Zur Erinnerung an Wartislaw I., genannt “der Bekenner”, stifteten Ratibor I. und seine Gemahlin Pribislawa, eine polnische Prinzessin, in Übereinstimmung mit Bischof Adalbert von Cammin am 3. Mai 1153 das Kloster Stolpe. Ratibor und Adalbert riefen dazu Mönche des Benediktinerordens aus dem Kloster Berge bei Magdeburg nach Stolpe in Vor- bzw. Westpommern. Auch Bischof Otto von Bamberg, der Pommern wie erwähnt in den Jahren 1124/25 und 1128 christianisierte und Adalbert, sein Begleiter und später erster Pommernbischof, waren aus diesem ältesten katholischen Orden des Abendlandes hervorgegangen. Entsprechend der Ordensregel “ora et labora” (“bete und arbeite”), die gleichermaßen geistige und körperliche Arbeit beinhaltete, entfalteten die mit schwarzer Tracht und Kapuze bekleideten Mönche aus dem Binnenland eine rege Kolonisation und Mission sowie sakrale Bautätigkeit im slawischen Lande Groswin, wie das westliche Umland der späteren Hansestadt Anklam entlang der Peene im Mittellalter bezeichnet wurde. Für dieses Gebiet südlich der Peene ist ab dem 12. Jahrhundert urkundlich neben Groswin das slawische Land bzw. der Burgbezirk Meseritz bekannt, und nördlich der Peene bis zum Greifswalder Bodden finden sich Gützkow, Ziethen, Lassan und Wusterhusen, auf der Insel Usedom Buckow (Nordteil) und Wanzlow (Südteil). Die lateinisch abgefasste Gründungsurkunde des Klosters Stolpe von 1153, die noch 1720 existierte, gilt heute leider als verschollen. Glücklicherweise blieb ihr Inhalt durch eine Abschrift des Originals für die Zukunft erhalten, die seinerzeit der Historiker Christian Schöttgen aus Stargard vornahm (v gl. Festschrift 2002, S. 15). Schöttgens Schrift ist zu entnehmen, dass Bischof Adalbert ” … um seinen Amtspflichten zu genügen, sich Mitarbeiter aus dem Magdeburger Kloster Berge geholt und sie am Ufer des Peeneflusses an dem Ort Stolpe, wo der vorgenannte Fürst Wartislaw niedergemacht wurde und zu seinem Gedenken … eine Kirche errichtet ist’, unterstützt von dem damaligen Fürsten Ratibor, angesiedelt (habe)” (J. Petersohn 1995, S. 85).
Helmold von Bosau (um 1120-1177), ein deutender geistlicher Chronist des Mittelalters, erinnert ebenso wie die Gründungsurkunde von 1153 in seinem Werk “Chronica Slavarum” (Slawenchronik) 1172 an die Umstände der Gründung des Klosters an der Peene: “Dort hatten Kazemar (Herzog Kasimir I. von Demmin, L.M.) und Buggezlaw (Herzog Bogislaw I. von Stettin, L.M.) schon vor Zeiten zum Gedächtnis ihres Vaters Wertizlaw, der dort getötet und bestattet war, eine Abtei gestiftet. Dieser (Herzog Wartislaw I., L.M.) war zuerst unter allen Herzögen von Pommern zum Glauben bekehrt vom heiligen Otto, Bischof zu Bamberg … ” (Helmold, Neuausgabe 1986, S. 286 f). Dadurch wissen wir eindeutig, dass Herzog Wartislaw I. in Stolpe begraben wurde, aber wo? Nachforschungen zielen daraufhin, dass der Herzog in einer so genannten “Memorial- oder GedächtniskapeIIe” beigesetzt wurde, die älter als das Kloster war, und von der keine Spuren mehr erhalten sind. Diese älteste Kirche im Lande Groswin, die Bischof Adalbert von Cammin um 1140 geweiht hatte, ” … stand wahrscheinlich am Ende des Dorfes Stolpe auf der Höhe des heutigen Friedhofes; denn wir müssen annehmen, dass nach uraltem Brauche der Friedhof um jene alte Kirche herum angelegt worden ist; die Kirche ist längst verschwunden, aber der Friedhof liegt noch an der selben Stelle wie vor 800 Jahren” (R. Bäumer 1936, S. 38 f). An der verschollenen Kirche wirkten seinerzeit zwei Geistliche, der Priester Simon und der Subdiakon Hermann. Durch herzogliche und bischöfliche Förderung, insbesondere durch Herzog Bogislaws I. Privileg von 1182/83, konnte das junge Kloster Grundbesitz erwerben und seine Einkünfte mehren. Der Kloster-Konvent erhielt den Zehnten aus dem Lande Groswin zugestanden, dazu die Krug- und Marktgerechtigkeit und den Schiffszoll auf der Peene, deren unterer Flusslauf damals als “Ribnitz” bezeichnet wurde. Dem Kloster unterstanden die geweihten und alle noch zu erbauenden Kirchen in der Umgebung. Zum Klosterbesitz gehörten im Verlauf seiner Entwicklung zeitweise über 100 Dörfer im heutigen Anklamer Gebiet. Sogar aus dem weit entfernten, heute polnischen Kolberg, bezog das Kloster Einkünfte von vier Salzpfannen. (vgl. H. Scheel 1953, S. 9). Der Kloster-Konvent hatte in seinem Besitztum auch die Gerichtsbarkeit inne, sogar den Blutbann, d. h. das Recht zur Hinrichtung überführter Missetäter.
Das Kloster Stolpe – seiner Anlage nach ein wehrhaft ausgebautes Feldkloster – wurde somit der religiöse, politische und wirtschaftliche Mittelpunkt und neben der urkundlich erstmalig 1140 erwähnten Burg Groswin, deren Lage bisher nicht eindeutig identifiziert werden konnte, auch strategisches Zentrum des späteren Anklamer Landes. Die Anfangsjahre des Klosters in der Mitte des 12. Jahrhunderts im Lande Groswin waren jedoch von kriegerischen Ereignissen begleitet. Die Dänen unter König Waldemar I. (1157-1182) fielen im Bunde mit den Sachsen – gemeint sind die Altvordern der Bewohner des heutigen Niedersachsens – unter Herzog Heinrich den Löwen (1129-1195) in Mecklenburg und Pommern ein, um Fürst Pribislaw von Mecklenburg (gest. 1178) und die Pommernherzöge Bogislaw I. von Stettin (um 1156-1187) und Kasimir I. von Demmin (um 1156-1180) unter ihre Botmäßigkeit zu zwingen. Der Krieg führte zu einer fürchterlichen Schlacht, die am 6, Juli 1164 bei Verchen am Kummerower See stattfand. Dabei unterlagen nach wechselndem Verlauf schließlich die vereinigten Mecklenburger und Pommern den Dänen und Sachsen. Das Kloster Stolpe muss in jener Zeit ein geistiger Hort von enormer Bedeutung gewesen sein, obwohl anfangs an der Spitze kein Abt stand, : sondern ein Prior oder Propst namens Helmvig, der durch Bischof Konrad I. von Cammin 1176 als Abt bestätigt wurde. Anscheinend waren die Relevanz des Klosters und die Diplomatie seines Priors maßgebend, dass sich nach der Schlacht von 1164 die verfeindeten Fürsten das Kloster Stolpe als Verhandlungsort auswählten. Dort erfolgte die Unterzeichnung des Friedensvertrages. Neben der Beuteaufteilung zwischen Waldemar und Heinrich, wurde zur Stärkung ihres Bündnisses im Kloster auch die Verlobung von König Waldemars Sohn Knud, des späteren Königs Knud IV. (1182-1202), mit der Tochter Heinrichs des Löwen, Gertrud, beschlossen.
Es war sicherlich der Schutz, den das wehrhafte Feldkloster im vorpommerschen Hinterland bot, und in dem sich die damaligen politischen, geistlichen und militärischen Größen sicher wähnten. Bei den Ausgrabungen von Archäologen der Universität Greifswald unter der Leitung von Dr. Joachim Fait den Jahren 1957 bis 1960 wurde erkannt, dass die heutige Ruine das Untergeschoß des Westturmes der ehemaligen Klosterkirche darstellt, zu der einst ein mächtiger Turm in Form eines “Riegelturmes” gehörte, der in Niedersachsen, der Altmark und der Mark Brandenburg verbreitet war. Außer in Stolpe konnte dieser Typ in “küstenländischer Baukunst” nicht nachgewiesen werden. “Dieser Typ des Riegelturmes trägt in seiner trutzigen Verschlossenheit alle Zeichen des Wehrhaften, er übernahm in der auch der Verteidigung dienenden Kirchenbaukunst der Missionsländer die gleichen fortifikatorischen Aufgaben, wie sein Urbild, das karolingische Westwerk …. So wurde der Turm zum Symbol gleicherweise der kirchlichen Macht wie der Abschreckung ihrer Gegner. Auf einer leichten Anhöhe stehend, beherrschte er sowohl die Furt, die … über die Peene führte, als auch die weite Niederung bis hin zu jenem unwegsamen Sumpfgelände, durch das der Fluss läuft, um dann nordwärts in den Peeneestrom, südwärts in das Kleine Haff einzumünden. Deutsche und Dänen suchten bei ihren wiederholten Eroberungszügen Schutz hinter den festen Klostermauern ” (J. Fait 1963, S. 121).
Man kann sich gegenwärtig schwer vorstellen, dass in dem heutigen stillen Ort Stolpe an der Peene im Jahre 1164 Geschichte gemacht und geschrieben wurde, die weitreichende Folgen für Pommern, Mecklenburg, Niedersachsen und Dänemark haben sollte. Für die von den Pommernherzögen gewährten Privilegien, hatten die Äbte von Stolpe als Gegenleistung bis ins 16. Jahrhundert einen Beitrag zur Landesverteidigung zu leisten. Im Kriegsfalle bedeutete das die Bereitstellung eines “Rüstwagens” mit sechs Pferden und zehn Mann, die mit Äxten, Schippen, Hacken und Spaten “bewaffnet” waren und das Aufgebot der klösterlichen Vasallen, so der Herren von Lüskow, von Bützow, von Suckow, von Köppern und von Schwerin (vgl. R. Bäumer 1936, S. 42).
Im Jahre 1177 suchte der Dänenkönig Waldemar I. erneut das Land Groswin heim und zerrstörte die bisher nicht gefundenen Burgen Fuir und Vinborg, die zwischen der Insel Usedom und Gützkow gesucht werden, und im Jahre 1185 vernichtete sein Sohn und königlicher Nachfolger Knud IV. (1182-1202) den Mittelpunkt des Landes Groswin, die Burg Groswin, die bis heute archäologisch ebenfalls nicht nachgewiesen werden konnte. “Zeugen dieser Kämpfe sind die alten Ritterschwerter, die bei Ausbaggerungen an der Brücke in Anklam aus dem Schlamm der Peene gehoben wurden. Einzelne trugen Inschriften, Weihekreuze und Meistermarken, die auf berühmte Waffenschmieden in Passau und Solingen hinweisen” (H. Scheel 1953, S. 10). Im Mittelalter gab es enge Beziehungen zwischen dem Kloster und den Pommernherzögen. Dort fanden offensichtlich auch Mitglieder des Herzogshauses ihre letzte Ruhe. Darauf könnte das Fragment einer Platte mit den Buchstaben “ROZL” hindeuten, die man bei Ausgrabungen durch die Universität Greifswald in den Jahren 1957 bis 1960 fand. Hierbei scheint es sich um die pommersche Herzogin Mirozlawa (gest. 1233), die Gemahlin Bogislaws II. von Stettin, zu handeln (vgl. J. Fait 1963, S. 133 f). Sowohl die Herzöge von Pommern als auch die Bischöfe von Cammin besaßen im Kloster Stolpe ein so genanntes “Ablager”, d. h. das Recht auf Unterkunft. Im Kloster selbst stellten die Herzöge zahlreiche Urkunden aus. Insgesamt sollen 128 das Kloster Stolpe betreffende Urkunden aus dem Zeitraum von 1176 bis 1533 erhalten sein, die im Pommerschen Landesarchiv in Greifswald deponiert sind. Das Stadtarchiv Anklam hingegen verwahrt als Kostbarkeit das einzige erhaltene Siegel des Kloster-Konvents Stolpe von 1336 auf und das des Abtes Hadbert aus dem gleichen Jahr. Dort befindet sich auch die älteste Urkunde von 1276, in der Abt Radulf der Stadt Anklam den Zehnten aus den Dörfern Tuchow und Gnevezin zusichert (vgl. H. Scheel 1953, S. 11, 17). Nach J. Peterssohn (1972, S. 21 f) befand sich im Kloster Stolpe die umfangreichste mittelalterliche Reliquiensammlung Pommerns, die aus dem Magdeburger Domschatz stammt und wahrscheinlich nach 1160 anlässlich der Weihe des Hochaltars der Klosterkirche als Gründungsgabe nach Stolpe kam.
Mit der Besiedlung des slawischen Pommerns durch deutsche Kolonisten im Rahmen der feudalen deutschen Ostexpansion bzw. Ostkolonisation vor und nach 1200 und der weiteren Festigung des Christentums im Lande, war jedoch eine der Hauptaufgaben der Benediktiner, die Missionsarbeit, erfüllt. Die Gründung und weitere Entwicklung der Stadt Anklam, die urkundlich seit 1247 nachweisbar ist, wurde vom Kloster Stolpe im Gegensatz zum Kloster Eldena und der Stadt Greifswald nicht beeinflusst, aber für die folgende Zeit sind mehrere juristische Streitfälle zwischen Stolpe und Anklam überliefert. Allmählich traten in der Folgezeit Verfallserscheinungen im Kloster auf. Müßiggang setzte ein. Zucht und Ordnung ließen merklich nach. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts kam es in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu einer regelrechten Krise, wobei zeitweilig gar zwei Äbte die Geschicke der schwarzen Klosterbrüder zu Stolpe lenkten: Radulf (1267-1296) und Hildebrand, und der herzogliche Landesherr Bogislaw IV. (um 1252-1309) fühlte sich nicht zum Eingreifen genötigt. Der innere Verfall, begleitet von einer nachlässigen Verwaltung des gewaltigen Grundbesitzes, bewirkte eine drastische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Um den Niedergang entgegenzuwirken, strebte Abt Gottfried von Stolpe 1301 modern ausgedrückt eine Art Fusion mit dem Benediktinerkloster Cismar in Holstein an, die sich aber nicht bewährte. Deshalb erfolgte unter Abt Dethmar, der einst Prior unter Radulf war, im Jahre 1304 der Anschluss des Verschuldeten Klosters Stolpe an den Orden der Zisterzienser, der als Reformbewegung aus dem Benediktinerorden 1098 hervorgegangen war.
Die Zisterzienser, die eine weiße Ordenstracht mit schwarzem Überwurf und Gürtel trugen, zeichneten sich durch besondere Strenge und Einfachheit in der Lebensweise und vorbildliche Landwirtschaft aus. Der Konvent zu Stolpe musste sich nun den strengen Ordensregeln und der straffen Struktur der Zisterzienser unterwerfen, die in unserer engeren Heimat die Klöster Dargun (1172) und Eldena bei Greifswald (1199) gründeten. Die Hierarchie der Zisterzienserklöster, in die nun Stolpe eingebunden wurde, sah von oben nach unten folgendermaßen aus (hier von links nach rechts): Citeaux (Frankreich, Burgund) > Morimond (Frankreich, Deparrtement Haute-Marne) > Altenkamp (Nieederrhein) > Walkenried (Harz) > Pforta, später Schulpforta, a. d. Saale> Stolpe an der Peene (Pommern). Stolpe war demzufolge als Tochterkloster unmittelbar Pforta unterstellt, wurde selbst jedoch Mutterkloster für die Klöster Dünamünde und Falkenau in Livvland. Damit war auch die so genannte Visitation, eine scharfe Kontrolle verbunden, die zumeist jährlich durch den Abt des übergeordneten Klosters erfolgte. Als 1305 der Deutsche Orden in Livland das dortige Kloster Dünamünde kaufte und dessen Mönche sich in Padis (Estland) niederließen, wurde auch Padis Tochterkloster von Stolpe. Der umfangreiche Besitz des Klosters Dünamünnde, den es auch im östlichen Deutschland hatte, so in Mecklenburg, Pommern und der Mark Brandenburg, kam nun zu Stolpe und ermöglichte dem pommerschen Kloster die Überwindung seiner desolaten Verhältnisse und einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung im 14. und 15. Jahrhundert (vgl. R. Bäumer 1936, S. 44). Infolgedessen erreichte das Kloster seine letzte Blütezeit. Abt Johann von Stolpe war 1456 sogar maßgeblich an der Gründung der Greifswalder Universität beteiligt.
In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bahnte sich unaufhörlich ein wirtschaftlicher Niedergang an, der sich auch darin äußerte, dass das Kloster Stolpe 1468 gezwungen war, drei Dörfer auf der Insel Usedom an das Kloster Pudagla, vormals Grobe, zu verpfänden. Mit der Einführung der Reformation in Pommern 1534 wurde das Kloster aufgehoben (säkularisiert) und seine Besitzungen in herzogliche Kammergüter umgewandelt. Damit endete die über 380jährige Geschichte des Klosters. In den Kämpfen zwischen Kaiserlichen und Schweden im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648), in dem Schweden Pommern vereinnahmte, gerieten die Klostergebäude nach Beschuss am 23. August 1637 in Brand und fielen teilweise der Zerstörung anheim, weniger beschädigte konnten aber weiter als Amtgebäude genutzt werden. Dennoch nagte der Zahn der Zeit an dem Gemäuer. Der eingangs genannte wehrhafte Klosterturm, der rechteckige “Westturm”, an den sich seinerzeit östlich eine dreischiffige, aus behauenen Feldsteinen errichtete Basilika anschloss, stürzte 1793 ein. Weitere Gebäude verfielen und dienten sozusagen als “Steinbruch” für den Wiederaufbau kriegsbedingt zerstörter Häuser in Stolpe und Umgebung. Heute kündet nur noch die Ruine des westlichen Turmmunterbaues von der bedeutenden Klosteranlage an der Peene, die als Tonnengewölbe in den Abmessungen von 16 m L, 4 m B, und 5 m H sichtbar ist. Weitere archäologische Untersuchungen der jüngsten Zeit (1998 bis 2002) und ” … (die) Bauforschung zur Sicherung der Klosterruine in den vergangenen Jahren bestätigen die Ergebnisse der Forschungen von Joachim Fait in den 1950er und 60er Jahren. Fait hat als erster die Ruine als Teil des Untergeschosses des Westturms der Klosterkirche identifiziert. Dieser im Kern noch aus dem 12. Jahrhundert stammende Bau ist wohl der älteste Steinbau Pommerns” (Festschrift 2002, S. 25). Aber die brennende Antwort auf die Frage: Wo befindet sich in Stolpe die Grabstätte des ersten christlichen Pommernherzogs Wartislaw I., kann sicherlich nur durch weitere Ausgrabungen im Bereich der Klosterruine und deren Umfeld in der Gemeinde Stolpe gegeben werden.
Lutz Mohr (Diplomhistoriker)
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