Wer heute die kleine brandenburgische Grenzstadt zu Mecklenburg- Vorpommern – Lenzen – unweit der Eibe im Kreis Prignitz besucht, wird nicht gleich erkennen, dass hier vor knapp 1100 Jahren eine bedeutende Schlacht stattfand, zwischen “den Deutschen” unter König Heinrich I. (919-936) und dem sich der deutschen Unterdrückung widersetzenden slawischen Stamm der Redarier, die hier im Gebiet des späteren Mecklenburg-Strelitz und in der Uckermark ansässig waren. Seit seiner Thronbesteigung 919 verfolgte der römisch-deutsche König Heinrich 1. aus der Dynastie der Sachsen eine harte Politik gegenüber den slawischen Stämmen zwischen Elbe und Oder, die er als äußere Feinde betrachtete. Gleiches galt für die Ungarn, die des Öfteren sein Reich heimsuchten und zu deren Abwehr Heinrich nach dem 924 auf neun Jahre geschlossenen Waffenstillstand eine Elitetruppe aufbaute. Dieser sogenannten Panzerreiterei gelang es, um es vorweg zu nehmen, durch die siegreiche Schlacht von Riade am 15. März 933 die Gefahr der Ungarneinfälle wirklich zu bannen. Zuvor aber ließ der König sie während der Vorstöße gegen die slawischen Stämme zwischen Elbe und Oder, die sich dem deutschen Nachbarn widersetzten, erproben.
Die Einnahme der verhassten sächsischen Zwingburg links der Elbe durch die Redarier bewirkte, dass sich die benachbarten Stämme der Obotriten und Lutizen dem Aufstand der slawischen Stammesbrüder anschlossen. König Heinrich I. ließ daraufhin eiligst ein sächsisch-deutsches Heer aufbieten, das bei Lenzen die Elbe überquerte. Unter dem Befehl der Grenzgrafen Bernhard und Thietmar erfolgte die Belagerung der stark befestigten slawischen Burg Lenzen, dem “Tor zum Obodriten- und Wilzenland”. Nach fünftägiger Belagerung wurde die Burg schließlich trotz eines anrückenden slawischen Entsatzheeres durch die sächsisch-deutschen Krieger erobert, wobei die schwere Panzerreiterei “… zum ersten Male seit der Reorganisation des Heerwesens unter Heinrich I. eine Schlacht entschied” (J. Herrmann 1985, S. 336). Über die lang anhaltenden Kämpfe zwischen den Deutschen und Slawen während der Regierungszeit der Könige Heinrich I. und Otto I. (936-973), dem späteren Kaiser, berichtet Widukind aus dem Kloster Corvey an der Weser wie ein “Hofbiograph” in seinem Werk “Sächsische Geschichte” von 973. Den Kampf um die Burg Lenzen schildert er recht ausführlich aus der Sicht der Sieger, wobei er die Slawen generell als Barbaren bezeichnet. Seine Ausführungen sollen hier in Auszügen wiedergegeben werden:
Als nun die Nachbarvölker vom König Heinrich zinspflichtig gemacht worden waren, die Abodriten, Wilten, Hevelder, Dalamantier, Böhmen und Redarier, und Friede war, da brachen die Redarier den Vertrag; sie brachten ein großes Herr zusammen, machten einen Angriff auf die Burg Wallislevu [Walsleben], nahmen sie und fingen oder töteten alle ihre Bewohner, deren eine zahllose Menge war. Hierdurch wurden alle barbarischen Völker [gemeint sind die slawischen] ermutigt und wagten wiederum sich zu empören. Um ihre Freiheit zu unterdrücken, wurde Bernhard, welcher die Aufsicht über das Land der Redarier anvertraut war, ein Heer nebst einer Reiterschar übergeben. Er und Thietmar [nach Bernhard der zweite Befehlshaber] erhielten den Auftrag, die Burg Lunkini [Lenzen] zu belagern. Am fünften Tag der Belagerung kamen die Kundschafter mit der Nachricht, das Heer der Feinde [Slawen] sei nicht mehr weit entfernt, und sie hätten beschlossen, in der nächsten Nacht einen Angriff auf das Lager [des Markgrafen Bernhard] zu machen. Da sich das Volk [ … ] um das Zelt des Markgrafen versammelt hatte, befahl dieser auf den Rat Thietmars in derselben Stunde, sie sollten die ganze Nacht unter den Waffen bleiben, damit nicht die Feinde das Lager überrumpelten [ … ]. Wie also befohlen worden war, blieben die Sachsen in jener ganzen Nacht unter den Waffen […]. Als aber die Sonne aufgegangen war, […] rückten sie mit aufgereckten Feldzeichen aus dem Lager heraus; in erster Linie der Markgraf, welcher sogleich einen Angriff auf die Barbaren machte […].
Als daher das Zeichen gegeben war und der Heerführer seine Scharen zum mutigen Angriff ermahnte, da stürzten sie sich mit lautem Schlachtruf auf die Feinde. Weil sich aber der vielen Feinde wegen kein Weg durch sie bahnen ließ, drangen sie zur Rechten und zur Linken mit dem Schwert vor, und wo es gelang, einen Haufen von den übrigen abzuschneiden, da wurden alle niedergemacht. Als nun […] viele von dieser und jener Seite fielen, die Barbaren aber noch in Reih und Glied standen, da verlangte der Befehlshaber von Thietmar, dass er dem Fähnlein zu Hilfe komme. Dieser sandte einen Hauptmann mit 50 Geharnischten dem Feind in die Flanke und brachte Verwirrung in die Glieder; und von nun an gaben sich die Feinde den ganzen Tag über dem Tod oder der Flucht preis. Während sie auf dem Schlachfeld niedergemacht wurden, suchten sie nach der nahen Feste [die Burg Lenzen] zu fliehen. Da aber Thietmar ihnen den Weg verlegte, gerieten sie in ein nahe gelegenes Moor, und so geschah es, dass jene […] entweder vom Schwert gefressen wurden oder im Moor versanken. Von dem Fußvolk kam nicht einer davon, von der Reiterei nur sehr wenige, und so wurde der Krieg durch den Fall aller Gegner […]. Am nächsten Morgen rückten sie [die sächsischen Krieger] vor die genannte Burg, aber die Bewohner streckten die Waffen und bedungen sich nur das Leben aus, was ihnen gewährt wurde. Danach wurde ihnen geheißen, ohne die Waffen die Burg zu verlassen; die Knechte aber und alles Geld nebst den Weibern und Kindern und dem ganzen Haugerät des Königs der Barbaren wurde als Beute genommen […]. Manche erzählten, von den Barbaren wären 200.000 Mann [realistisch wohl 20.000] getötet worden. Die Gefangenen wurden alle zum anderen Tag geköpft“ (Widukind I, 36).
Die Schlacht um die Burg Lenzen, bis zur Kapitulation ihrer Besatzung, muss demzufolge in ein fürchterliches Blutbad ausgeartet sein. Mit diesem Sieg des römisch-deutschen Königs bei Lenzen 929 war der slawische Hauptwiderstand zunächst gebrochen. Im Jahre 932 unterwarf Heinrich I. von der 929 gegründeten Burg Meißen aus die im Gebiet der heutigen Oberlausitz ansässigen Milzener, außerdem griff er die Lusitzer in der heutigen Niederlausitz an und zerstörte ihre Burg Liubusua, die wohl bei Luckau zu suchen ist. Zwei Jahre später (934) zog seine Streitmacht nach Norden, besiegte zunächst die Ukranen in der heutigen Uckermark, machte sie tributpflichtig und marschierte dann nach Nordwesten, um auf der Halbinsel Jütland das dänische Wikingerreich von Haithabu an der Schlei zu bekriegen und einzunehmen, so dass dessen König Knuba Heinrich I. als Oberherrn anerkennen musste. „Rückblendend wird deutlich, dass Heinrich I. sein […] verfochtenes politisches Ziel erreicht hatte, die slawischen Stammesgruppen bis zur Oder – abgesehen von Ranen [auf der Insel Rügen], Zirzipanen [Vorpommern, Ostmecklenburg] und Kessinern [an der Warnow] – militärisch zu schlagen, in ein tributäres Abhängigkeitsverhältnis zu überführen und eine gewisse Oberhoheit auszuüben, die Grenzgrafen überwachten” (J. Herrmann 1985, S. 337).
Lutz Mohr (Diplomhistoriker)
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